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So interessant können Übersetzungslösungen sein

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Warum Like-Blog? Nun, zum einen ist dieser Blog ein Blog, den Sie mögen (und regelmäßig lesen) sollten – zumindest dann, wenn Sie sich für Übersetzungen interessieren. Zum anderen ist das hier behandelte Thema eines, in dem die sinnstiftende Ähnlichkeit zwischen einem Text und seiner Übersetzung im Sprachenpaar Englisch-Deutsch eine zentrale Rolle spielt. Auf dieser Seite diskutiere ich einige interessante Übersetzungslösungen, die mir im Laufe meiner Tätigkeit als Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler über den Weg gelaufen sind.

Eine Übersetzungslösung ist immer nur so gut wie die sie stützenden Argumente. Wer also positive oder negative Übersetzungskritik übt, muss diese auch begründen. Wie gut eine Übersetzungslösung ist, erweist sich erst in Relation zu anderen möglichen Übersetzungslösungen in einer gegebenen Übersetzungssituation. Daher sollte ein Übersetzungskritiker oder eine Übersetzungskritikerin nicht nur sagen, warum eine Übersetzungslösung schlecht ist, sondern auch aufzeigen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte. Diese Grundsätze der Übersetzungskritik werde ich versuchen zu beherzigen. Das bedeutet auch: Wenn Sie Fragen zu meiner Argumentation haben oder anderer Meinung sind, lassen Sie es mich gerne wissen unter 04171 6086525 oder per E-Mail an bittner@businessenglish-hamburg.de. Doch nun genug der einleitenden Worte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Klare Kante (Januar 2020)

Richtige Übersetzungen können suboptimal sein.

Die schottische Zeitung The Herald zitiert in ihrer Online-Ausgabe vom 30. Oktober 2019 den Fraktionsvorsitzenden der Scottish National Party im britischen Unterhaus, Ian Blackford, mit den Worten: „So on that basis, Mr Speaker, I welcome the opportunity of an election, because make no mistake, the election that’s coming is going to be the right of Scotland to determine its own future.“ Auf das Originalzitat wäre ich nie gestoßen, hätte ich nicht beim Lesen der deutschen Übersetzung gestutzt. Die Online-Nachrichten der ARD brachten die folgende Version: „Ich begrüße die Möglichkeit, Wahlen zu haben. Denn täuschen Sie sich nicht: Die Wahl, die jetzt kommt, wird das Recht Schottlands sein, über seine Zukunft zu bestimmen.“

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Übersetzung ist korrekt und für den informativen Zweck, den sie zu erfüllen hat, völlig ausreichend. Warum ich dann trotzdem stutzig wurde? Es war nicht die vielleicht etwas unbeholfen wirkende Formulierung von der „Möglichkeit, Wahlen zu haben“; es war auch nicht die bei genauer Betrachtung seltsam anmutende Gleichsetzung von „Wahl“ und „Recht“ durch das Verb „sein“. Nein, was mich stutzig machte, war der Hauptsatz vor dem Doppelpunkt: „Denn täuschen Sie sich nicht“.

Dieser Satz ist in dieser Form eher ungewöhnlich. Ein deutscher Bundestagsabgeordneter würde ihn so wohl kaum äußern. Üblicher sind Konstruktionen wie „Wenn Sie sich da mal nur nicht täuschen“ oder „Lassen Sie sich davon nicht täuschen“. Während erstere verwendet wird, um jemanden darauf hinzuweisen, dass eine Ansicht, die dieser Jemand geäußert hat, womöglich falsch ist, stellt die zweite Konstruktion eine Warnung dar, dass die Angesprochene einen von ihr nicht zu verantwortenden Sachverhalt als trügerisch erkennen sollte. Für eine Übersetzung von „make no mistake“ lassen sich diese idiomatischeren Konstruktionen allerdings nicht heranziehen.

Was bedeutet eigentlich der imperativische Ausdruck „make no mistake“? In drei einsprachigen Wörterbüchern finden sich drei verschiedene Erklärungen, die jedoch alle auf die gleiche Bedeutung hinauslaufen. So bietet das LEXIKO online (www.lexiko.com) als Definition den ebenfalls imperativischen Ausdruck „Do not be deceived into thinking otherwise“ – was ungefähr der in der ARD-Übersetzung verwendeten Formulierung entspricht. Merriam Webster (online) versucht gar nicht erst, „make no mistake“ zu definieren, sondern beschreibt, wie dieser Ausdruck zu verwenden ist: „used to stress the truth or accuracy of a statement“. Auf Deutsch: Der Ausdruck wird verwendet, um den Wahrheitsgehalt oder die Korrektheit einer Aussage hervorzuheben. Mein Concise Oxford Dictionary of Current English aus den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts definiert lapidar: „undoubtedly“ – „unzweifelhaft“ oder „zweifelsohne“.

In obigem Zitat aus dem Herald ließe sich „make no mistake“ theoretisch durch „Do not be deceived into thinking otherwise“ oder „undoubtedly“ ersetzen. Im ersten Fall wäre das Ergebnis eine sehr umständliche Formulierung, im zweiten Fall ginge dem resultierenden Satz mit dem vergleichsweise harmlosen Adverb eine gewisse Ausdrucksintensität ab. Letzteres gilt auch für eine mögliche deutsche Übersetzung mit einem solchen Adverb: Zweifelsohne wird die Wahl, die jetzt kommt, das Recht Schottlands sein, über seine Zukunft zu bestimmen.

Eine optimale Übersetzung berücksichtigt dreierlei: (1) die Bedeutung von „make no mistake“ – etwa, wie sie von Merriam Webster (online) beschrieben wird; (2) die Intensität des imperativischen Ausdrucks und seine Idiomatizität; und (3) den genauen Zusammenhang, in dem der Ausdruck verwendet wird. Der dritte Punkt ist besonders wichtig: Man stelle sich vor, welche Worte Ian Blackford wohl gewählt hätte, wenn er seine Parlamentsrede in perfektem (Alltags)deutsch gehalten hätte.

Vor diesem Hintergrund schlage ich als Übersetzung vor: Ich begrüße die Möglichkeit von Wahlen. Denn, um das mal ganz klar zu sagen: Mit dieser Wahl, die jetzt kommt, kann Schottland sein Recht wahrnehmen, über die eigene Zukunft zu bestimmen.