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So interessant können Übersetzungslösungen sein

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Warum Like-Blog? Nun, zum einen ist dieser Blog ein Blog, den Sie mögen (und regelmäßig lesen) sollten – zumindest dann, wenn Sie sich für Übersetzungen interessieren. Zum anderen ist das hier behandelte Thema eines, in dem die sinnstiftende Ähnlichkeit zwischen einem Text und seiner Übersetzung im Sprachenpaar Englisch-Deutsch eine zentrale Rolle spielt. Auf dieser Seite diskutiere ich einige interessante Übersetzungslösungen, die mir im Laufe meiner Tätigkeit als Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler über den Weg gelaufen sind.

Eine Übersetzungslösung ist immer nur so gut wie die sie stützenden Argumente. Wer also positive oder negative Übersetzungskritik übt, muss diese auch begründen. Wie gut eine Übersetzungslösung ist, erweist sich erst in Relation zu anderen möglichen Übersetzungslösungen in einer gegebenen Übersetzungssituation. Daher sollte ein Übersetzungskritiker oder eine Übersetzungskritikerin nicht nur sagen, warum eine Übersetzungslösung schlecht ist, sondern auch aufzeigen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte. Diese Grundsätze der Übersetzungskritik werde ich versuchen zu beherzigen. Das bedeutet auch: Wenn Sie Fragen zu meiner Argumentation haben oder anderer Meinung sind, lassen Sie es mich gerne wissen unter 04171 6086525 oder per E-Mail an bittner@businessenglish-hamburg.de. Doch nun genug der einleitenden Worte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Königliche Einheiten (März 2020)

Wann ist eine wörtliche Übersetzung angezeigt? Die banale Antwort auf diese Frage lautet: wenn eine solche Übersetzung erwartet wird. Allerdings gibt es zwischen einer wortwörtlichen und einer freien Übersetzung unzählige Abstufungen – welche Abstufung zu bevorzugen ist, muss im jeweiligen übersetzerischen Kontext geklärt werden.

Am 12. Januar 2020 berichtete die Tagesschau online über die Pläne des Herzogs und der Herzogin von Sussex, Harry und Meghan, sich von ihren Pflichten als Mitglieder der britischen Königsfamilie zumindest teilweise entbinden zu lassen. In diesem Zusammenhang wurde ein Zitat von Harrys großem Bruder William, seines Zeichens Herzog von Cambridge, aus der Sunday Times wie folgt wiedergegeben: „Ich habe mein Leben lang den Arm um meinen Bruder gelegt und das kann ich nicht mehr tun, wir sind getrennte Einheiten.“

Was, bitte schön, sind getrennte Einheiten? Am ehesten könnte ich mir solche im militärischen Bereich vorstellen; aber im gegebenen Kontext ist doch wohl gemeint, dass William in Bezug auf das Leben und die Pflichten von so bedeutenden Persönlichkeiten der Königsfamilie eine völlig andere Auffassung vertritt als sein Bruder Harry. Das legt auch die Originalfassung des Zitats nahe, hier wiedergegeben in den BBC News vom 12. Januar 2020: „I’ve put my arm around my brother all our lives and I can’t do that any more; we’re separate entities.“

Wenn der Herzog von Cambridge sich in einer so wichtigen Angelegenheit äußert, darf die Leserin einer Übersetzung dieser Äußerung erwarten, dass sie das Original so unverfälscht wie möglich übermittelt bekommt. Im Allgemeinen ist damit eine möglichst wörtliche Übersetzung gemeint. Die Wörtlichkeit der Übersetzung sollte jedoch nicht so weit gehen, dass die Leserin nur mit Mühe verstehen kann, was gemeint ist, bzw. sich fragt, warum seine königliche Hoheit sich so komisch ausdrückt.

Nun ist der Ausdruck „separate entities“ im Englischen auch nicht gerade besonders häufig; er funktioniert aber. Die deutsche Übersetzung „getrennte Einheiten“ hingegen funktioniert nicht so wie sie soll, denn die aufmerksame Leserin stolpert darüber. Das liegt daran, dass der englische Begriff „entity“ mit seinen verschiedenen Bedeutungen andere Einsatzmöglichkeiten bietet als das deutsche Wort „Einheit“. Zwar ist diese Übersetzung naheliegender als zum Beispiel „Wesen“, doch gibt es im Deutschen hier keine sinnvolle Übersetzung von „entities“, die sich unter Beibehaltung der originalen Satzstruktur eins zu eins verwenden ließe. Mit der Formulierung „wir sind getrennte Einheiten“, räumt der Übersetzer – ob aus Nachlässigkeit oder Zeitmangel – der Beibehaltung der originalen Satzstruktur eine höhere Priorität ein als der Plausibilität des Satzes.

Sie merken schon: Ich rate in diesem Fall zu einer Abkehr von der Wortwörtlichkeit. Mein Vorschlag wäre: „... wir gehen getrennte Wege.“ Das kommt der Bedeutung des Originals wohl am nächsten, spiegelt jedoch nicht Williams Wortwahl („entities“) wider. Gibt es im Internet denn wirklich nur die eine unbefriedigende Übersetzung? Auf der Suche nach einer Alternativlösung bin ich tatsächlich fündig geworden. So wird das Zitat von Herzog William bei watson.ch und T-Online so übersetzt: „Ich habe mein Leben lang den Arm um meinen Bruder gelegt, ich kann es nicht mehr – wir sind keine Einheit mehr.“ Sehr schön: Der Übersetzer oder die Übersetzerin trifft nicht nur die richtige Bedeutung und den richtigen Ton, sondern erreicht auch eine Reminiszenz an die königliche Wortwahl durch die Wiedergabe von „entities“ mit „Einheit“.