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So interessant können Übersetzungslösungen sein

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Warum Like-Blog? Nun, zum einen ist dieser Blog ein Blog, den Sie mögen (und regelmäßig lesen) sollten – zumindest dann, wenn Sie sich für Übersetzungen interessieren. Zum anderen ist das hier behandelte Thema eines, in dem die sinnstiftende Ähnlichkeit zwischen einem Text und seiner Übersetzung im Sprachenpaar Englisch-Deutsch eine zentrale Rolle spielt. Auf dieser Seite diskutiere ich einige interessante Übersetzungslösungen, die mir im Laufe meiner Tätigkeit als Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler über den Weg gelaufen sind.

Eine Übersetzungslösung ist immer nur so gut wie die sie stützenden Argumente. Wer also positive oder negative Übersetzungskritik übt, muss diese auch begründen. Wie gut eine Übersetzungslösung ist, erweist sich erst in Relation zu anderen möglichen Übersetzungslösungen in einer gegebenen Übersetzungssituation. Daher sollte ein Übersetzungskritiker oder eine Übersetzungskritikerin nicht nur sagen, warum eine Übersetzungslösung schlecht ist, sondern auch aufzeigen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte. Diese Grundsätze der Übersetzungskritik werde ich versuchen zu beherzigen. Das bedeutet auch: Wenn Sie Fragen zu meiner Argumentation haben oder anderer Meinung sind, lassen Sie es mich gerne wissen unter 04171 6086525 oder per E-Mail an bittner@businessenglish-hamburg.de. Doch nun genug der einleitenden Worte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Die Idiomatizitätsfalle (Oktober 2022)

Idiomatisch zu übersetzen bedeutet, den Text in der Zielsprache so zu schreiben wie einen Originaltext in dieser Sprache. Dies gilt insbesondere für die „covert translation“. Was es mit der Unterscheidung zwischen einer „overt translation“ und einer „covert translation“ auf sich hat, habe ich in meinem Blog-Eintrag vom Mai 2020 erläutert.

Die Unterscheidung zwischen einer „overt“ und einer „covert“ Übersetzung – eingeführt durch Juliane House – sollte entscheidenden Einfluss darauf haben, wie eine Übersetzerin übersetzt. Unter einer sogenannten „overt translation“ verstehen wir eine Übersetzung, die vom Leser der Übersetzung als solche erkannt wird. Anders ausgedrückt, der Leser liest die Übersetzung, um auf diese Weise das entsprechende Original verstehen zu können. Zertifikate, Urkunden und klassische Werke der Literatur beispielsweise werden generell „overt“ übersetzt. Im Gegensatz dazu ist die Übersetzung von Bedienungsanleitungen und journalistischen Texten eher eine „covert translation“, weil die Leserin der Übersetzung entweder gar nicht weiß, dass es sich um eine Übersetzung handelt, oder diese Tatsache für das Lesen und Verstehen des Zieltextes völlig unerheblich ist. Für den Übersetzer ergibt sich aus dieser Unterscheidung eine wichtige Konsequenz speziell für die „covert translation“: Wenn der Ausgangstext für den Leser keine Rolle spielt, sollte der Zieltext so gestaltet sein, dass der Leser diesem das Übersetztsein nicht anmerkt.

In diesem Monat geht es um die Übersetzung eines Satzes aus „Sonia Sotomayor: A Justice Like No Other“ (TIME, 28. Mai 2009) von Richard Lacayo: „In the third case, the court reversed a decision written by Sotomayor that said individuals have the right to sue a corporation working on behalf of the Federal Government for violations of their constitutional rights.“

Hier ist die Übersetzung: „Im dritten Fall hob das Gericht ein Urteil Sotomayors auf, das besagte, Einzelpersonen hätten das Recht, ein im Auftrag der Regierung arbeitendes Unternehmen auf Verletzung ihrer Grundrechte zu verklagen.“ Der Satz liest sich flüssig: Wo ist also das Problem?

Nun, das Problem besteht darin, dass hier eine besonders idiomatische Kombination von Wörtern inhaltlich falsch ist. Die Verlockung dieser Kollokation im Deutschen hat vermutlich dazu geführt, dass die daraus sich ergebende genaue Bedeutung (die der englischen entgegengesetzt ist) nicht beachtet wurde. Gemeint ist der Ausdruck „jemanden auf etwas verklagen“; in der Regel geht es um Schadenersatz, also das aus Sicht des Klägers positive Resultat der Klage. Die Verletzung von Grundrechten ist hingegen der Auslöser der Klage. Deshalb müsste im Zieltext die Präposition „auf“ in „auf Verletzung ihrer Grundrechte“ durch „wegen“ ersetzt werden.

Das Erkennen dieser Idiomatizitätsfalle wird insofern erschwert, als „jemanden auf etwas verklagen“ idiomatischer wirkt als „jemanden wegen etwas verklagen“, weil sich die Bedeutung der Präposition „auf“ (anders als die der Präposition „wegen“) erst in der Kollokation mit dem Verb „verklagen“ ergibt.

Die Idiomatizitätsfalle ist übrigens kein übersetzungsspezifisches Problem. Es ist ein allgemeines Problem der Textproduktion. Muttersprachlerinnen und Muttersprachler (und alle anderen, die eine Sprache gut beherrschen) sind davon besonders betroffen. Denn sie wissen, wie sich ihre Sprache anhört. Dieses Wissen darum, wie sich eine Sprache anhört, gibt manchen Texterinnen und Textern eine trügerische Sicherheit in Bezug auf die Formulierung ihrer Texte. Eine idiomatische Formulierung ist jedoch, wie das obige Beispiel zeigt, nicht per se inhaltlich richtig und kann dazu führen, dass ein inhaltlicher Fehler beim Korrekturlesen übersehen wird.