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So interessant können Übersetzungslösungen sein

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Warum Like-Blog? Nun, zum einen ist dieser Blog ein Blog, den Sie mögen (und regelmäßig lesen) sollten – zumindest dann, wenn Sie sich für Übersetzungen interessieren. Zum anderen ist das hier behandelte Thema eines, in dem die sinnstiftende Ähnlichkeit zwischen einem Text und seiner Übersetzung im Sprachenpaar Englisch-Deutsch eine zentrale Rolle spielt. Auf dieser Seite diskutiere ich einige interessante Übersetzungslösungen, die mir im Laufe meiner Tätigkeit als Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler über den Weg gelaufen sind.

Eine Übersetzungslösung ist immer nur so gut wie die sie stützenden Argumente. Wer also positive oder negative Übersetzungskritik übt, muss diese auch begründen. Wie gut eine Übersetzungslösung ist, erweist sich erst in Relation zu anderen möglichen Übersetzungslösungen in einer gegebenen Übersetzungssituation. Daher sollte ein Übersetzungskritiker oder eine Übersetzungskritikerin nicht nur sagen, warum eine Übersetzungslösung schlecht ist, sondern auch aufzeigen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte. Diese Grundsätze der Übersetzungskritik werde ich versuchen zu beherzigen. Das bedeutet auch: Wenn Sie Fragen zu meiner Argumentation haben oder anderer Meinung sind, lassen Sie es mich gerne wissen unter 04171 6086525 oder per E-Mail an bittner@businessenglish-hamburg.de. Doch nun genug der einleitenden Worte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Nach den Sternen greifen (August 2020)

Im November 2019 habe ich in diesem Blog einen Satz aus einem Business-Spotlight-Artikel näher unter die Lupe genommen, bei dem der redaktionelle Kommentar zur Übersetzung eines bestimmten Ausdrucks von besonderem Interesse war. In meinem Blog-Eintrag für diesen Monat geht es wieder um einen Satz aus Business Spotlight.

Zur Erinnerung: Business Spotlight ist eine Zeitschrift für im Beruf stehende deutschsprachige Englischlerner. Daher erhalten sämtliche Beiträge eine redaktionelle Ergänzung in Form von englisch-deutschen Vokabelerklärungen. Das erspart der Leserin oder dem Leser weitgehend das Nachschlagen in einem Wörterbuch und hebt gleichzeitig wichtige oder interessante Wörter hervor. Ein solcher punktueller Übersetzungsservice wird besonders auch in solchen Fällen geboten, in denen ein bestimmtes Wort im Text mit einer anderen als der sonst typischen Bedeutung verwendet wird. Diesen speziellen Übersetzungen wird mit „hier“ oder „hier etwa“ ein entsprechender Hinweis vorangestellt.

In Business Spotlight 4/20 schreibt Lois Hoyal unter dem Titel „Perfectly imperfect“ in einem interessanten Artikel über die Tücken des Perfektionismus. Sie empfiehlt im letzten Absatz, sich selbst auch dann auf die Schulter zu klopfen, wenn trotz aller Bemühungen nicht das erreicht wurde, was man sich vorgenommen hatte. Der letzte Satz lautet: „And tomorrow, if you shoot for the moon but land among the stars, sit back, take it easy and enjoy the view“ (S. 76).

Die Business-Spotlight-Redakteurin (oder der Business-Spotlight-Redakteur) merkt zu „shoot for the moon“ an, dass es sich um einen im amerikanischen Englisch gebräuchlichen Ausdruck handelt, und übersetzt: „‣ nach den Sternen greifen; hier etwa: sich etw. Großes vornehmen“. Warum die Bedeutung noch einmal präzisiert wird, erschließt sich mir nicht. Vielleicht soll „sich etwas Großes vornehmen“ nahelegen, dass dieses Große noch erreichbar ist, während „nach den Sternen greifen“ im Duden definiert wird als „etwas Unerreichbares haben wollen“. Je nach Kontext kann „nach den Sternen greifen“ durchaus bedeuten, sich etwas Großes vorzunehmen.

Der entscheidende Punkt bei dem redaktionellen Übersetzungsvorschlag ist jedoch nicht die Bedeutung, sondern die Verlagerung des Ausdrucks von der metaphorischen Ebene auf die nicht-metaphorische. Denn im Originalsatz wird die Metapher fortgeführt mit „land among the stars“, also etwa „bei den Sternen landen“. Eine Übersetzung des gesamten Satzes müsste entweder die metaphorische Ebene für beide Elemente beibehalten oder die Metapher komplett außen vorlassen und die gesamte Passage sinngemäß in ihrer eigentlichen Bedeutung wiedergeben. Letzteres ergäbe etwa: Und morgen, wenn Sie sich etwas Großes vornehmen, aber nur etwas Kleines dabei herauskommt, lehnen Sie sich zurück, entspannen Sie sich und genießen Sie die Aussicht. Eine solche Übersetzung funktioniert zwar in Bezug auf die beiden metaphorischen Elemente, nicht jedoch im Zusammenspiel mit dem Rest des Satzes. Denn von wo aus lässt sich hier die Aussicht genießen? Damit diese Übersetzung einen Sinn ergibt, muss der Leser sich eine entsprechende Örtlichkeit vorstellen. Im Original ist das jedoch nicht erforderlich, denn hier geht es um die Aussicht, die Sie haben, wenn Sie sich auf irgendeinem Stern befinden.

Eine Variante, die die Metapher beibehält, ist daher nicht nur stilistisch ansprechender, sondern auch im Zusammenhang überzeugender: Und morgen, wenn Sie nach den Sternen greifen und auf dem Mond landen, lehnen Sie sich zurück, entspannen Sie sich und genießen Sie die Aussicht. Auch vom Mond hat man eine tolle Aussicht. Interessant ist, dass sich im Deutschen die Umkehrung der Bilder von Mond und Sternen als vorteilhaft erweist: So wie die Sterne entfernter und damit unerreichbarer sind als der Mond, ist das, was man eigentlich erreichen wollte, weiter entfernt als das, was man tatsächlich erreicht hat. Im Original bedeutet die Metapher lediglich, dass man etwas anderes erreicht hat als das, was man eigentlich erreichen wollte.