Like-Blog
So interessant können Übersetzungslösungen sein
Warum Like-Blog? Nun, zum einen ist dieser Blog ein Blog, den Sie mögen (und regelmäßig lesen) sollten – zumindest dann, wenn Sie sich für Übersetzungen interessieren. Zum anderen ist das hier behandelte Thema eines, in dem die sinnstiftende Ähnlichkeit zwischen einem Text und seiner Übersetzung im Sprachenpaar Englisch-Deutsch eine zentrale Rolle spielt. Auf dieser Seite diskutiere ich einige interessante Übersetzungslösungen, die mir im Laufe meiner Tätigkeit als Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler über den Weg gelaufen sind.
Eine Übersetzungslösung ist immer nur so gut wie die sie stützenden Argumente. Wer also positive oder negative Übersetzungskritik übt, muss diese auch begründen. Wie gut eine Übersetzungslösung ist, erweist sich erst in Relation zu anderen möglichen Übersetzungslösungen in einer gegebenen Übersetzungssituation. Daher sollte ein Übersetzungskritiker oder eine Übersetzungskritikerin nicht nur sagen, warum eine Übersetzungslösung schlecht ist, sondern auch aufzeigen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte. Diese Grundsätze der Übersetzungskritik werde ich versuchen zu beherzigen. Das bedeutet auch: Wenn Sie Fragen zu meiner Argumentation haben oder anderer Meinung sind, lassen Sie es mich gerne wissen unter 04171 6086525 oder per E-Mail an bittner@businessenglish-hamburg.de. Doch nun genug der einleitenden Worte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!
Prozentual gesehen (Januar 2021)
Zwei Probleme gibt es in der deutschen Übersetzung der folgenden Passage aus „The Meaning of Michelle Obama“, geschrieben von Nancy Gibbs und Michael Scherer und erschienen im Mai 2009 in Time Magazine: „In any case, by the time she held the Bible for her husband on Inauguration Day, her approval rating had jumped nearly 40 points. And she was just getting started.“
Dies wurde übersetzt als: „Fakt ist jedenfalls, dass ihre Beliebtheitswerte um fast 40% gestiegen waren, als sie am Tag der Amtseinführung die Bibel für ihren Mann hielt. Und sie kam doch gerade erst so richtig in Schwung.“ Finden Sie die zwei Fehler in der Übersetzung?
Der erste Fehler ist ein mathematischer. Wenn es im Ausgangstext heißt „her approval rating had jumped nearly 40 points“, so sind damit Prozentpunkte gemeint und nicht Prozent. Um den Unterschied zwischen Prozentpunkten und Prozent deutlich zu machen, nehmen wir einmal an, dass der Beliebtheitswert von Michelle Obama bei 20 Prozent lag. Eine Steigerung um 40 Prozent würde bedeuten, dass er anschließend 28 Prozent betrug. Eine Steigerung um 40 Prozentpunkte jedoch lässt diesen Wert auf 60 hochschnellen.
Der zweite Fehler ist etwas subtiler. In der Übersetzung des letzten Satzes „And she was just getting started“ mit „Und sie kam doch gerade erst so richtig in Schwung“ ist ein Wort fehl am Platz. Wer nun meint, dass es mir um das Substantiv „Schwung“ geht, irrt. Das Problem ist vielmehr das Adverb „doch“, denn dadurch drückt der Satz ein Bedauern darüber aus, dass der Schwung nicht beibehalten werden kann. Von Bedauern kann jedoch hier keine Rede sein, denn dafür müsste vorher ein negativer Trend verzeichnet worden sein. Das ist nicht der Fall. Gemeint ist im Original denn auch: Jetzt geht es erst richtig los!
Wenn ich beiden Fehler im Zieltext korrigiere, könnte als Übersetzung stehen: Fakt ist jedenfalls, dass ihre Beliebtheitswerte um fast 40 Prozentpunkte gestiegen waren, als sie am Tag der Amtseinführung die Bibel für ihren Mann hielt. Und das war erst der Anfang.