Like-Blog
So interessant können Übersetzungslösungen sein
Warum Like-Blog? Nun, zum einen ist dieser Blog ein Blog, den Sie mögen (und regelmäßig lesen) sollten – zumindest dann, wenn Sie sich für Übersetzungen interessieren. Zum anderen ist das hier behandelte Thema eines, in dem die sinnstiftende Ähnlichkeit zwischen einem Text und seiner Übersetzung im Sprachenpaar Englisch-Deutsch eine zentrale Rolle spielt. Auf dieser Seite diskutiere ich einige interessante Übersetzungslösungen, die mir im Laufe meiner Tätigkeit als Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler über den Weg gelaufen sind.
Eine Übersetzungslösung ist immer nur so gut wie die sie stützenden Argumente. Wer also positive oder negative Übersetzungskritik übt, muss diese auch begründen. Wie gut eine Übersetzungslösung ist, erweist sich erst in Relation zu anderen möglichen Übersetzungslösungen in einer gegebenen Übersetzungssituation. Daher sollte ein Übersetzungskritiker oder eine Übersetzungskritikerin nicht nur sagen, warum eine Übersetzungslösung schlecht ist, sondern auch aufzeigen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte. Diese Grundsätze der Übersetzungskritik werde ich versuchen zu beherzigen. Das bedeutet auch: Wenn Sie Fragen zu meiner Argumentation haben oder anderer Meinung sind, lassen Sie es mich gerne wissen unter 04171 6086525 oder per E-Mail an bittner@businessenglish-hamburg.de. Doch nun genug der einleitenden Worte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!
Die deutsche Kanzlerin (August 2019)
Eine Übersetzung muss nicht falsch sein, damit der aufmerksame Leser oder die aufmerksame Leserin stutzig wird. So reichen manchmal Kleinigkeiten, um das Sprachempfinden sensibler Leser und Leserinnen zu stören. Im folgenden Beispiel lässt der Übersetzer das Allgemeinwissen der Zielleserschaft außer Acht und leistet außerdem Vorschub für eine mögliche Fehlinterpretation.
Die Problematik der Übersetzung wird auch ohne den Ausgangstext deutlich. Der Satz lautet: „Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat sich für eine Art UN-Wirtschaftsrat ausgesprochen, ähnlich wie der Sicherheitsrat.“ Ein deutscher Text, der – so der fiktive Übersetzungsauftrag – in einem Magazin wie Der Spiegel erscheinen sollte, ist so zu verfassen, dass er das kulturelle Vorwissen der Leserinnen und Leser berücksichtigt. Im vorliegenden Fall könnten sich die Leser oder Leserinnen des Spiegels gelinde gesagt unterschätzt fühlen, wenn ihnen in aller Ausführlichkeit die Regierungschefin ihres Landes als die „deutsche Kanzlerin Angela Merkel“ präsentiert wird.
Haben Sie die Übersetzung richtig verstanden? Es gibt, zumindest aus grammatischer Sicht, zwei Möglichkeiten der Interpretation des Ausdrucks „ähnlich wie der Sicherheitsrat“. Variante eins: Der UN-Wirtschaftsrat soll nach dem Muster des UN-Sicherheitsrats aufgebaut sein. Variante zwei: Nicht nur Angela Merkel hat sich für eine Art UN-Wirtschaftsrat ausgesprochen, sondern auch der UN-Sicherheitsrat.
Damit Sie sich selbst eine Meinung bilden können, kommt an dieser Stelle doch noch das Original – „The Great Fall“ von Michael Elliot und Peter Gumbel aus dem TIME Magazine vom 29.1.2009: „At one limit, Angela Merkel, the German Chancellor, has advocated a sort of United Nations Economic Council, much like the Security Council.“ Dass der Übersetzer den Präpositionalausdruck am Anfang („At one limit“) außen vorgelassen hat, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Die oben diskutierten Mängel jedoch sollten behoben werden. Eine Möglichkeit wäre: Angela Merkel hat sich für eine Art UN-Wirtschaftsrat ausgesprochen, ähnlich dem Sicherheitsrat.