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So interessant können Übersetzungslösungen sein

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Warum Like-Blog? Nun, zum einen ist dieser Blog ein Blog, den Sie mögen (und regelmäßig lesen) sollten – zumindest dann, wenn Sie sich für Übersetzungen interessieren. Zum anderen ist das hier behandelte Thema eines, in dem die sinnstiftende Ähnlichkeit zwischen einem Text und seiner Übersetzung im Sprachenpaar Englisch-Deutsch eine zentrale Rolle spielt. Auf dieser Seite diskutiere ich einige interessante Übersetzungslösungen, die mir im Laufe meiner Tätigkeit als Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler über den Weg gelaufen sind.

Eine Übersetzungslösung ist immer nur so gut wie die sie stützenden Argumente. Wer also positive oder negative Übersetzungskritik übt, muss diese auch begründen. Wie gut eine Übersetzungslösung ist, erweist sich erst in Relation zu anderen möglichen Übersetzungslösungen in einer gegebenen Übersetzungssituation. Daher sollte ein Übersetzungskritiker oder eine Übersetzungskritikerin nicht nur sagen, warum eine Übersetzungslösung schlecht ist, sondern auch aufzeigen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte. Diese Grundsätze der Übersetzungskritik werde ich versuchen zu beherzigen. Das bedeutet auch: Wenn Sie Fragen zu meiner Argumentation haben oder anderer Meinung sind, lassen Sie es mich gerne wissen unter 04171 6086525 oder per E-Mail an bittner@businessenglish-hamburg.de. Doch nun genug der einleitenden Worte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Lippenbekenntnisse (Oktober 2020)

Für den Blog-Eintrag in diesem Monat habe ich noch einmal ein Übersetzungsbeispiel aus Monica Alis „Letter from Uganda“ gefunden, der am 15. Oktober 2006 im Guardian erschienen ist. Sie geht in dem Text auch auf die Gräueltaten der LRA, der ugandischen Widerstandsarmee, ein und auf die lokalen Bemühungen, durch Versöhnung Frieden zu erreichen. In dem Zusammenhang denkt sie über Gerechtigkeit nach und über Gefängnisse in Großbritannien: „I think about our prisons, bursting at the seams, the lip service we pay to rehabilitation.“

Übersetzt wurde der Satz: „Ich denke über unsere Gefängnisse in Großbritannien nach, die aus allen Nähten platzen. Sie stellen das Lippenbekenntnis dar, das wir zur Resozialisierung ablegen.“ Diese Übersetzung liest sich eigentlich flüssig. Doch irgendetwas stimmt hier nicht.

Bei genauem Lesen merke ich, dass ich nicht richtig nachvollziehen kann, wie diese Übersetzung zu verstehen ist. Wenn Gefängnisse das Lippenbekenntnis zur Resozialisierung sind, wäre das Gefängnis selbst die Resozialisierungsmaßnahme. Das ergibt jedoch keinen Sinn: Die Resozialisierung folgt auf den Aufenthalt im Gefängnis. Das Lippenbekenntnis besteht darin, dass die vielfältigen Versprechen von Resozialisierungsmaßnahmen nicht oder nur ungenügend umgesetzt werden. Was ist also falsch an der Übersetzung?

Um es kurz zu machen: Die Übersetzerin hat den Ausgangssatz syntaktisch falsch interpretiert. Diese Interpretation ist durchaus möglich, aber wenig einleuchtend. Hier wird „the lip service we pay to rehabilitation“ zu einer Apposition, gemeint ist dieser Ausdruck jedoch als zweites Satzobjekt: I think about our prisons [...] and about the lip service we pay to rehabilitation. Es geht also um zwei Dinge, die zwar miteinander in Zusammenhang stehen, aber verschieden sind.

Daher kann übersetzt werden: Ich denke über unsere Gefängnisse in Großbritannien nach, die aus allen Nähten platzen, und darüber, dass wir zur Resozialisierung der Gefangenen nichts als Lippenbekenntnisse zu bieten haben.