Like-Blog
So interessant können Übersetzungslösungen sein
Warum Like-Blog? Nun, zum einen ist dieser Blog ein Blog, den Sie mögen (und regelmäßig lesen) sollten – zumindest dann, wenn Sie sich für Übersetzungen interessieren. Zum anderen ist das hier behandelte Thema eines, in dem die sinnstiftende Ähnlichkeit zwischen einem Text und seiner Übersetzung im Sprachenpaar Englisch-Deutsch eine zentrale Rolle spielt. Auf dieser Seite diskutiere ich einige interessante Übersetzungslösungen, die mir im Laufe meiner Tätigkeit als Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler über den Weg gelaufen sind.
Eine Übersetzungslösung ist immer nur so gut wie die sie stützenden Argumente. Wer also positive oder negative Übersetzungskritik übt, muss diese auch begründen. Wie gut eine Übersetzungslösung ist, erweist sich erst in Relation zu anderen möglichen Übersetzungslösungen in einer gegebenen Übersetzungssituation. Daher sollte ein Übersetzungskritiker oder eine Übersetzungskritikerin nicht nur sagen, warum eine Übersetzungslösung schlecht ist, sondern auch aufzeigen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte. Diese Grundsätze der Übersetzungskritik werde ich versuchen zu beherzigen. Das bedeutet auch: Wenn Sie Fragen zu meiner Argumentation haben oder anderer Meinung sind, lassen Sie es mich gerne wissen unter 04171 6086525 oder per E-Mail an bittner@businessenglish-hamburg.de. Doch nun genug der einleitenden Worte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!
Verbraucher, Regierungen und Lasten (März 2022)
Wie im Vormonat beziehe ich mich auf „A Capital Manifesto“ (Newsweek.com, 12. Juni 2009) von Fareed Zakaria. Er schreibt: „If, in the years ahead, the American consumer remains reluctant to spend, if federal and state governments groan under their debt loads, if government-owned companies remain expensive burdens, then private-sector activity will become the only path to create jobs.“
In einer deutschen Übersetzung heißt es: „Wenn sich amerikanische Verbraucher in den kommenden Jahren weiterhin an ihrem Geld festklammern, wenn Bundes- und Landesregierung vor lauter Schulden stöhnen und wenn staatseigene Unternehmen teure Lasten bleiben, dann wird die Tätigkeit auf dem Privatsektor der einzige Weg zur Schaffung von Arbeitsplätzen sein.“
Diese Übersetzung ist interessant, weil in ihr gute und weniger gute Lösungen zusammenkommen. Ich analysiere sie der Reihe nach.
Zu Beginn zeigt sich eine clevere Übersetzungsmethode: Wenn eine wörtliche Übersetzung schlecht möglich ist (etwa, weil das Ergebnis unidiomatisch wirkt), hilft es manchmal, das Gegenteil zu verneinen. Dies geschieht hier in einem erweiterten Sinn. Statt des negativen „reluctant“ („widerwillig“) in Verbindung mit „spend“ („ausgeben“) gibt es in der Übersetzung das positive „sich festklammern an“ in Verbindung mit „Geld“ – eine gelungene Lösung.
Weniger gelungen ist die Übersetzung „Bundes- und Landesregierung“ für „federal and state governments“. Da es hier um die US-Regierung und die Regierungen der einzelnen US-Staaten geht, ist eine Übersetzung mit Begriffen aus dem deutschen Staatswesen unangebracht. Besonders das Wort „Landesregierung“ ist verwirrend, da es in den USA keine Länder, sondern Bundesstaaten gibt. (Eine ähnliche Übersetzungslösung wird in meinem Blog vom Juli 2020 genauer erörtert.) Darüber hinaus werden die Regierungen der Bundesstaaten im Plural benötigt.
Dass eine Regierung vor lauter Schulden stöhnt, ist zwar ein verständliches Bild, wirkt jedoch durch die Personifizierung der Regierung und in Kombination mit „lauter“ ein wenig befremdlich. Hier ist eine Optimierung angebracht.
In ähnlicher Weise gilt das auch für die staatseigenen Unternehmen, die für den Staat „teure Lasten bleiben“. Etwas ungewöhnlich ist die Verwendung des Plural, „Lasten“; aber auch im Singular ergibt sich ein Nachteil: Der Ausdruck „teure Last“ ist aus dem Weihnachtslied „Es kommt ein Schiff geladen“ bekannt, hat dort jedoch eine völlig andere Bedeutung.
Der Rest ist solide übersetzt. Unter Berücksichtigung der obigen Überlegungen schlage ich folgende Übersetzungslösung für den gesamten Satz vor: Wenn sich amerikanische Verbraucher in den kommenden Jahren weiterhin an ihrem Geld festklammern, wenn die US-Regierung und die Regierungen der einzelnen US-Staaten von ihren Schulden fast erdrückt werden, und wenn staatseigene Unternehmen nach wie vor in hohem Maße die Staatskasse belasten, dann wird die Tätigkeit auf dem Privatsektor der einzige Weg zur Schaffung von Arbeitsplätzen sein.