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So interessant können Übersetzungslösungen sein

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Warum Like-Blog? Nun, zum einen ist dieser Blog ein Blog, den Sie mögen (und regelmäßig lesen) sollten – zumindest dann, wenn Sie sich für Übersetzungen interessieren. Zum anderen ist das hier behandelte Thema eines, in dem die sinnstiftende Ähnlichkeit zwischen einem Text und seiner Übersetzung im Sprachenpaar Englisch-Deutsch eine zentrale Rolle spielt. Auf dieser Seite diskutiere ich einige interessante Übersetzungslösungen, die mir im Laufe meiner Tätigkeit als Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler über den Weg gelaufen sind.

Eine Übersetzungslösung ist immer nur so gut wie die sie stützenden Argumente. Wer also positive oder negative Übersetzungskritik übt, muss diese auch begründen. Wie gut eine Übersetzungslösung ist, erweist sich erst in Relation zu anderen möglichen Übersetzungslösungen in einer gegebenen Übersetzungssituation. Daher sollte ein Übersetzungskritiker oder eine Übersetzungskritikerin nicht nur sagen, warum eine Übersetzungslösung schlecht ist, sondern auch aufzeigen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte. Diese Grundsätze der Übersetzungskritik werde ich versuchen zu beherzigen. Das bedeutet auch: Wenn Sie Fragen zu meiner Argumentation haben oder anderer Meinung sind, lassen Sie es mich gerne wissen unter 04171 6086525 oder per E-Mail an bittner@businessenglish-hamburg.de. Doch nun genug der einleitenden Worte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Afghanistan (Januar 2022)

„The U.S. in Afghanistan: The Longest War“ (Time.com, 8. April 2009) ist ein journalistischer Artikel von Aryn Baker. Über einen afghanischen Geschäftsmann schreibt sie: „He lived through the resistance to the Soviets in the 1980s, only to see the U.S. abandon Afghanistan when they left.“

In einer deutschen Übersetzung lautet dieser Satz: „Er durchlebte den Widerstand gegen die Sowjets in den Achtzigern, nur um zu sehen, wie die USA Afghanistan im Stich ließen, als jene dort abgezogen waren.“

Die Übersetzung orientiert sich nahe am Ausgangstext. Wo ist also das Problem? Nun, das Problem liegt darin begründet, dass der Ausdruck „only to see“ im Englischen je nach Zusammenhang verschiedene Bedeutungen annehmen kann, die im Deutschen unterschiedlich übersetzt werden. Da ist zum einen die Bedeutung einer Zielgerichtetheit, die in einem Finalsatz ausgedrückt wird – zum Beispiel: Ich wiederhole die Klausur, nur um zu sehen, ob ich dieses Mal besser bin. Oder auf Englisch: I’m repeating the exam only to see if I’m better this time. Zum anderen kann, wie im vorliegenden Fall, „only to see“ eine bloße Folgehandlung implizieren: erst der Widerstand gegen die Sowjets, dann das Im-Stich-lassen von Afghanistan durch die USA. Es besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen den zeitlich aufeinanderfolgenden Ereignissen; allerdings verweist das „only to see“ auf die Unabwendbarkeit des Folgeereignisses, welches aus Sicht des Satzsubjekts als negativ empfunden wird.

Das Problem der gegebenen Übersetzung besteht somit darin, dass der zweite Teil des Satzes als Finalsatz aufgefasst wird: Der afghanische Geschäftsmann durchlebte demnach den Widerstand gegen die Sowjets, damit er dann sehen konnte, wie die USA Afghanistan im Stich ließen. Diese Bedeutung ist jedoch unsinnig. Der eigentliche Sinn des Originals lässt sich im Deutschen durch ein treffenderes Verb in Kombination mit einem Modalverb und einem passenden Zeitadverb ausdrücken: Er durchlebte den Widerstand gegen die Sowjets in den Achtzigern, nur um dann mit ansehen zu müssen, wie die USA Afghanistan im Stich ließen, nachdem jene dort abgezogen waren.