Like-Blog
So interessant können Übersetzungslösungen sein
Warum Like-Blog? Nun, zum einen ist dieser Blog ein Blog, den Sie mögen (und regelmäßig lesen) sollten – zumindest dann, wenn Sie sich für Übersetzungen interessieren. Zum anderen ist das hier behandelte Thema eines, in dem die sinnstiftende Ähnlichkeit zwischen einem Text und seiner Übersetzung im Sprachenpaar Englisch-Deutsch eine zentrale Rolle spielt. Auf dieser Seite diskutiere ich einige interessante Übersetzungslösungen, die mir im Laufe meiner Tätigkeit als Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler über den Weg gelaufen sind.
Eine Übersetzungslösung ist immer nur so gut wie die sie stützenden Argumente. Wer also positive oder negative Übersetzungskritik übt, muss diese auch begründen. Wie gut eine Übersetzungslösung ist, erweist sich erst in Relation zu anderen möglichen Übersetzungslösungen in einer gegebenen Übersetzungssituation. Daher sollte ein Übersetzungskritiker oder eine Übersetzungskritikerin nicht nur sagen, warum eine Übersetzungslösung schlecht ist, sondern auch aufzeigen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte. Diese Grundsätze der Übersetzungskritik werde ich versuchen zu beherzigen. Das bedeutet auch: Wenn Sie Fragen zu meiner Argumentation haben oder anderer Meinung sind, lassen Sie es mich gerne wissen unter 04171 6086525 oder per E-Mail an bittner@businessenglish-hamburg.de. Doch nun genug der einleitenden Worte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!
Der Einfluss der Ausgangssprache (Dezember 2022)
Ein ausgefallener Schreibstil im Ausgangstext sollte – zumindest näherungsweise – in den Zieltext übernommen werden. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass der ausgefallene Schreibstil im Zieltext funktioniert.
Hier ist eine Passage aus Paul Gray’s Artikel „Books: Wild About Harry Potter“ (TIME, 12. September 1999): „They want to believe the unbelievable, and Rowling makes it easy and great good fun for them to do so. How pleasant to be persuaded that an orphan named Harry Potter, who has lived for 10 years with the Dursleys, his cruel aunt and uncle and their hateful son Dudley, in a faceless English suburb – specifically 4 Privet Drive, Little Whinging – learns shortly after his 11th birthday that he is really a wizard.“
Zur besseren Übersichtlichkeit gebe ich die Übersetzung ohne Relativsatz wieder: „Sie möchten das Unglaubliche glauben und Rowling macht es ihnen einfach und zu einem großartigen Spaß, dies zu tun. Wie angenehm es doch ist, davon überzeugt zu werden, dass ein Waisenkind namens Harry Potter [...] an seinem 11. Geburtstag herausfindet, dass er eigentlich ein Zauberer ist.“
Über das Bemühen, den Stil des Ausgangstextes im Zieltext nachzuempfinden, vergisst die Übersetzerin zu prüfen, ob das Ergebnis den aufmerksamen Zieltextleser oder die aufmerksame Zieltextleserin zufriedenstellt. Dass dies eher nicht der Fall sein dürfte, zeigen Formulierungen, die im Deutschen entweder ungewöhnlich („macht es ihnen [...] zu einem großartigen Spaß, dies zu tun“) oder unsinnig („Wie angenehm es doch ist, davon überzeugt zu werden, dass [...]“) sind.
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die beiden Passagen angemessener zu übersetzen. Das erfordert eine etwas größere Distanz zum Ausgangstext. Mein Übersetzungsvorschlag wäre: Sie möchten das Unglaubliche glauben und Rowling sorgt dafür, dass sie das tun können und dabei jede Menge Spaß haben. Es ist einfach schön, die Geschichte eines Waisenkindes namens Harry Potter zu lesen, das 10 Jahre bei den Dursleys gelebt hat [...] und kurz nach seinem 11. Geburtstag herausfindet, dass es eigentlich ein Zauberer ist.