Like-Blog
So interessant können Übersetzungslösungen sein
Warum Like-Blog? Nun, zum einen ist dieser Blog ein Blog, den Sie mögen (und regelmäßig lesen) sollten – zumindest dann, wenn Sie sich für Übersetzungen interessieren. Zum anderen ist das hier behandelte Thema eines, in dem die sinnstiftende Ähnlichkeit zwischen einem Text und seiner Übersetzung im Sprachenpaar Englisch-Deutsch eine zentrale Rolle spielt. Auf dieser Seite diskutiere ich einige interessante Übersetzungslösungen, die mir im Laufe meiner Tätigkeit als Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler über den Weg gelaufen sind.
Eine Übersetzungslösung ist immer nur so gut wie die sie stützenden Argumente. Wer also positive oder negative Übersetzungskritik übt, muss diese auch begründen. Wie gut eine Übersetzungslösung ist, erweist sich erst in Relation zu anderen möglichen Übersetzungslösungen in einer gegebenen Übersetzungssituation. Daher sollte ein Übersetzungskritiker oder eine Übersetzungskritikerin nicht nur sagen, warum eine Übersetzungslösung schlecht ist, sondern auch aufzeigen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte. Diese Grundsätze der Übersetzungskritik werde ich versuchen zu beherzigen. Das bedeutet auch: Wenn Sie Fragen zu meiner Argumentation haben oder anderer Meinung sind, lassen Sie es mich gerne wissen unter 04171 6086525 oder per E-Mail an bittner@businessenglish-hamburg.de. Doch nun genug der einleitenden Worte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!
Kein Gauner (November 2023)
Mark Seals Artikel „The Trouble with Harry’s“, (Vanity Fair, 2. November 2009) beginnt: „“I am not a crook,” says Arrigo Cipriani, sitting at a low table laden with signature Cipriani dishes and cocktails at Harry’s Bar in Venice, the world-renowned restaurant he has run for more than 50 years. He is referring to his 2007 conviction for felony tax evasion in New York and the enforced payment of $10 million in back taxes and penalties, part of the string of calamities he left behind in America.“
In der deutschen Übersetzung wurden aus zwei Sätzen drei: „,Ich bin kein Gauner‘, sagt Arrigo Cipriani. Er sitzt dabei an einem niedrigen Tisch, der mit Speisen und Cocktails nach original Cipriani-Rezepten beladen ist, in Harry’s Bar in Venedig, dem weltberühmten Restaurant, das er seit mehr als 50 Jahren betreibt. Damit spielt er auf seine Verurteilung wegen schwerer Steuerhinterziehung in New York im Jahre 2007 und die auferlegte Zahlung von 10 Millionen US-Dollar an, die sich aus Steuerschulden und Geldstrafen zusammensetzt – Teil einer Reihe von Unglücken, die er in Amerika hinter sich ließ.“
Die Anpassung der Satzstrukturen ist generell sinnvoll, da die im Englischen gängige Konstruktion mit dem Partizip Präsens im Deutschen stilistisch nicht funktioniert. Leider hat die Übersetzerin übersehen, dass durch den zusätzlichen, zweiten Satz der mit „Damit“ beabsichtigte Verweis auf das Zitat von Arrigo Cipriani kaum mehr deutlich wird. Zur Lösung dieses Problems gibt es zwei Möglichkeiten.
Zum einen ließe sich anstelle des Verweisausdrucks ein expliziter Bezug auf Ciprianis Aussage herstellen, etwa: Mit seiner Feststellung spielt Cipriani auf seine Verurteilung ... an. Eine andere Lösung bestünde in einer syntaktischen Umstellung: Arrigo Cipriani sitzt an einem niedrigen Tisch, der mit Speisen und Cocktails nach original Cipriani-Rezepten beladen ist, in Harry’s Bar in Venedig, dem weltberühmten Restaurant, das er seit mehr als 50 Jahren betreibt. „Ich bin kein Gauner“, sagt er und spielt damit auf seine Verurteilung ... an ....